Fachtagung 2015

Fachtagung 2015

„Ungeschützte Verkehrsteilnehmer“

(Rostock, 29. April 2015) Weltweit gelten Fußgänger und Radfahrer als die „Verlierer“ der Mobilität, darunter besonders Kinder und ältere Menschen. Über die Möglichkeiten, diese ungeschützten Verkehrsteilnehmer besser zu schützen, diskutierten heute die Teilnehmer einer Fachtagung der Landesverkehrswacht Mecklenburg-Vorpommern. Obwohl die Zahlen der im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten in den vergangenen Jahren zurückgingen, sind Kinder im Straßenverkehr nach wie vor sehr gefährdet. Der Anteil der verunglückten älteren Radfahrerinnen und Radfahrern hingegen nimmt sogar stetig zu. Nötig sei eineVerbesserung der Infrastruktur, zum Beispiel durch Herstellung besserer Sichtbeziehungen zwischen Autofahrern und ungeschützten Verkehrsteilnehmern und durch effektive Querungshilfen, etwa Mittelinseln. Auch können Notbremssysteme in Kraftfahrzeugen dazu beitragen, Unfälle mit Fußgängern und Radfahrern zu verhindern oder deren Folgen zu mildern.

In Deutschland verunglückten im Jahr 2013 im Durchschnitt alle fünf Minuten ein Fußgänger oder Fahrradfahrer im Straßenverkehr. Betroffen sind oft Kinder und ältere Menschen. Pro Tag verloren zwei ungeschützte Verkehrsteilnehmer ihr Leben infolge eines Verkehrsunfalls. „Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit, den Straßenverkehr für die schwächsten Verkehrsteilnehmer sicherer zu gestalten.“, sagte Hans-Joachim Hacker, Präsident der Landesverkehrswacht, zur Eröffnung der Fachtagung. Er bekräftigte die Forderung der Landesverkehrswacht zur Einführung einer innerörtlichen Regelgeschwindigkeit von 30 km/h und begrüßte einen wissenschaftlich begleiteten Modellversuch zur Umkehrung der Regelgeschwindigkeit. EineVerringerung der durchschnittlich gefahrenen Geschwindigkeiten sei das A und O der Verkehrssicherheit. Zugleich forderte Hacker, die Ressourcen zur Verkehrsüberwachung nicht weiter einzuschränken, denn Prävention sei ohne Repression nicht zielführend. Die Landesverkehrswacht und die 20 Regionalvereine werden sich auch weiterhin mit zahlreichen Projekten für die Erhöhung der Verkehrssicherheit ungeschützter Verkehrsteilnehmer einsetzen.

„Die wichtigste aller Verkehrsregeln findet sich im Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung. Dort wird die ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht eingefordert. Außerdem hat man sich auch so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder belästigt wird. Nur im Zusammenspiel aus Prävention und Repression sind Verkehrsteilnehmer zu einem entsprechenden Verhalten zu motivieren. Gerade Kinder und Senioren sind häufig kognitiv und motorisch nicht immer in der Lage in Gefahrensituationen angemessen zu reagieren. Deshalb müssen mögliche Hilfssysteme, die sich stetig weiterentwickeln, konsequent analysiert und in der Folge gefördert oder möglicherweise verordnet werden. Darüber hinaus halte ich viel davon im Einzelfall an Gefahrenpunkten und in sensiblen Bereichen baulich oder auch mit Geschwindigkeitsbegrenzungen für mehr Sicherheit zu sorgen. Die Verkehrsministerkonferenz hat in Rostock vier Länder beauftragt dazu bis zum Herbst konkrete gesetzliche Regelungen vorzuschlagen“, so Infrastrukturminister Christian Pegel.

Dr. Jörg Kubitzki von der AZT Automotive GmbH informierte, dass 3/4 der Kollisionen zwischen Pkw und Radfahrern sowie zwischen Pkw und Fußgängern von den Pkw-Fahrern verursacht werden. Das Hauptrisiko, bei Radfahrunfällen zu verunglücken, hätten die 15- bis 24-Jährigen, bei den Fußgängern liegt das höchste Unfallrisiko bei den unter 15-Jährigen.

Über Chancen und Grenzen der Verkehrssicherheitsarbeit mit Kindern sprach Prof. Dietmar Sturzbecher von der Universität Potsdam. Der Rückgang der Kinderunfälle mit Schwerverletzten, der in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen gewesen sei, hänge auch damit zusammen, dass immer mehr Kinder im Auto ihrer Eltern befördert werden. Er mahnte an, dass Kindern so die Lernmöglichkeiten als Fußgänger und Radfahrer genommen werden.

Neben der Fahrzeugtechnik spielt auch eine sichere Infrastruktur eine wichtige Rolle beim Schutz von Fußgängern und Radfahrern. Die derzeitigen Voraussetzungen der attraktiven und sicheren Fortbewegung mit dem Rad oder zu Fuß seien als eher „bescheiden“ zu bezeichnen, meinte Prof. Dr. Reinhold Maier von der Technischen Universität Dresden.Sichere Mobilität in einem lebenswerten Umfeld müsse das Ziel der Verkehrsraumgestaltung sein.

Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer setzte sich in seinem Vortrag „Neue Mobilität – alte Gefahr?“ mit der Verkehrssicherheit älterer Menschen als Fußgänger und Radfahrer auseinander. Diese Verkehrsteilnehmergruppe weise vor allem eine besonders hohe Rate an Getöteten und Schwerverletzten auf und sei als Fußgänger und Radfahrer überwiegend Opfer. Er forderte die Verbesserung der Infrastruktur als entscheidenden Beitrag zur Reduzierung der Unfallzahlen.

Welchen Beitrag moderne Fahrzeugtechnik zur Vermeidung von Fußgängerunfällen leisten kann, erläuterte Dipl. Ing. Marcus Wisch von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). 95 Prozent der Unfälle geschehen innerorts, auch wenn außerorts eine höhere Verletzungsschwere zu verzeichnen ist. Ältere Menschen und Kinder seien besonders stark betroffen. Eine stärkere Verbreitung von Notbremssystemen könnte zum Schutz von Fußgängern beitragen.