Schön gefährlich!
Fachtagung zur Alleen-Sicherheit in MV
Die Landesverkehrswacht hat sich am 28. März 2019 auf ihrer Fachtagung in Rostock intensiv mit den Alleen in Mecklenburg-Vorpommern befasst: mit der Faszination und Bewunderung der Einheimischen für dieses Kulturgut und der Anziehungskraft der Alleen über die Landesgrenzen hinaus – aber auch mit den Gefahren für alle Menschen, die auf ihnen unterwegs sind. Etwa 100 Fachleute und interessierte Laien haben sich bei der Veranstaltung über das Spannungsfeld zwischen Verkehrssicherheit, Tourismus sowie Umwelt- und Naturschutz informiert und darüber diskutiert.
Hans-Joachim Hacker forderte, dass alles getan werde müsse, um die Zahl der Getöteten und Verletzten im Stra¬ßenverkehr weiter zu senken. „Trotz der Ausstattung großer Alleenabschnitte mit Schutzplanken in den vergangenen Jahren sind 2017 in unserem Land 40 Prozent aller getöteten Unfallopfer bei Baumunfällen ums Leben gekommen“, betonte der Präsident der Landesverkehrswacht das Ausmaß der Gefährdung. 32 Menschen haben fassungslose und trauernde Eltern, Kinder, Verwandte und Freunde hinterlassen.
Landesverkehrsminister Christian Pegel sprach über die Herausforderung, Verkehrssicherheit und Alleenschutz miteinander zu vereinbaren: „Es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Bürger sicher an ihr Ziel gelangen. Dafür investieren wir in die Infrastruktur. Zugleich sind wir stets bestrebt, die wunderschönen Alleen, die das Bild unseres Bundeslandes mitprägen, zu erhalten.“ Hauptthema seiner Rede war die Mobilität der Zukunft. „In Zeiten schnell voranschreitender Digitalisierung wird diese auch das Verkehrsbild verändern – bis hin zum autonomen Fahren“, so der Verkehrsminister.
Sigfried Brockmann sprach sich eindeutig für den Schutz menschlichen Lebens aus. Der Leiter der Unfallforschung der Versicherer empfahl, zukünftig keine Neupflanzungen mehr an Landstraßen vorzunehmen. Bei den bestehenden Alleen sollten – soweit möglich - Schutzplanken angebracht werden. In solchen Straßen müsse das Tempo auf mindestens 80 km/h reduziert und die Einhaltung müsse überwacht werden.
Cornelia Behm unterstrich die Bedeutung der Alleen für Mecklenburg-Vorpommern und den Tourismus. Alleen seien schützenswertes Natur- und Kulturgut und keine Verkehrshindernisse, lautete die engagierte Botschaft der Vorsitzenden der Alleenschutzgemeinschaft.
Ulrich Chiellino vom Allgemeinen Deutschen Automobilclub führte aus, dass das Überholen neben dem Abkommen von der Fahrbahn die zweite große Ursache von tödlichen Unfällen auf Landstraßen sei. Die Zeitvorteile durch Überholmanöver würden vielfach überschätzt und die Risiken oft falsch eingeschätzt oder verdrängt. Beim geringsten Zweifel solle man auf das Überholen verzichten.
Roland Huhn vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club wies darauf hin, wie wichtig eine sichere Infrastruktur für die Förderung des alltäglichen und des touristischen Radverkehrs sei. Radfahren auf der Fahrbahn sei unbeliebt, vor allem auf Landstraßen mit starkem Verkehr, hohen Geschwindigkeiten und Schutzplanken. Radwege müssten räumlich neben den Landstraßen und Alleen geführt werden, damit sie gern genutzt werden.
Professor Dr. Thomas Franke widmete seinen Vortrag dem Phänomen der allgegenwärtigen Ablenkung im Straßenverkehr. Eine kurze Blickabwendung von der Fahrbahn - etwa bei der Bedienung des Navis oder beim Lesen einer Botschaft auf dem Handy - könnte verhängnisvolle Konsequenzen nach sich ziehen. Bäume am Fahrbahnrand verzeihen keine Fehler, auch keine kleinen, so der Psychologe und Dozent der Universität zu Lübeck.
Fazit
Das Fazit der Fachtagung fiel trotz unterschiedlicher Standpunkte einhellig aus: Die Alleen sind ein hohes Gut, das bewahrt werden muss. Mit 4.374 Kilometern verfügt Mecklenburg-Vorpommern über den zweithöchsten Alleenbestand bundesweit. Alleen müssen aber auch für Einheimische und Touristen sicherer werden. Zur Erreichung dieses Ziels müssen alle im Land Verantwortlichen weiterhin engagiert und konstruktiv zusammenarbeiten.
Vorträge zum Download
„Das Glück in Alleen darf nicht das Unglück der Familien sein."
Bäume, Neupflanzungen, Schutzplanken und Tempolimits in der Diskussion
Siegfried Brockmann
Unfallforschung der Versicherer
„Alleen sind Natur- und Kulturerbe.“
Die Bedeutung von Alleen für Natur, Landschaftsbild und Tourismus
Cornelia Behm
Alleenschutzgemeinschaft e.V.
„Doppeltes Risiko: Überholen in Alleen“
Motive, Nutzen und Risiken von Überholmanövern
Ulrich Chiellino
Allgemeiner Deutscher Autoclub e.V. (ADAC)
„Radwege außerorts: gut für Einheimische und Touristen“
Förderung einer sicheren Radinfrastruktur neben Landstraßen und Alleen
Roland Huhn
Allgemeiner Deutscher Fahrradclub e.V. (ADFC)
„APP-Gelenkt?“
Der Einfluss von Ablenkung auf das Unfallgeschehen
Prof. Dr. Thomas Franke
Universität zu Lübeck