Automatisiertes Fahren: Chance oder Risiko?
Die Landesverkehrswacht hat sich am 5. April auf ihrer Fachtagung in Rostock intensiv mit automatisierten Fahrzeugen befasst. Angesichts der Entwicklungen zum Thema „automatisiertes Fahren“ wird die Einführung und Nutzung von teil-, hoch- und vollautomatisierten Fahrfunktionen in der Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit leisten. Bei der Zulassung der Systeme ist jedoch in jedem Einzelfall abzuwägen, ob der zu erwartende Sicherheitsgewinn mögliche Risiken überwiegt.
Hans-Joachim Hacker, Präsident der Landesverkehrswacht, fordert, dass alles getan werde müsse, um die Zahl der Getöteten und Verletzten im Straßenverkehr weiter zu senken. „Allein 2017 verloren 79 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern bei einem Verkehrsunfall ihr Leben“, so Präsident Hacker. “Hoch- und vollautomatische Fahrsysteme könnten langfristig gesehen dazu beitragen, zumindest einen Teil dieser Unfälle zu verhindern oder die Unfallfolgen zu mindern.“
Christian Pegel, Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung stellte dar, dass das Flächenland Mecklenburg-Vorpommern Mobilitäts-konzepte für den ländlichen Raum benötige. Durch die Elektromobilität und das autonome Fahren ergeben sich erhebliche Chancen, aber auch immense Herausforderungen für die Gesellschaft.
Das hochautomatisierte Fahren wird einen positiven Einfluss auf das Unfallgeschehen haben, prognostizierte Dr. Gerd Müller von der Technischen Universität Berlin. Derzeit kann der menschliche Fahrer noch individuell und in nahezu beliebiger Komplexität auf Verkehrssituationen reagieren. In dieser Hinsicht ist der Mensch den heutigen technischen Systemen noch weit überlegen.
Wenn das autonome Fahren zum Teil eines neuen Systems öffentlicher Mobilität wird, könnte diese Innovation zum Motor einer Verkehrswende werden, meinte Martin Röhrleef von der ÜSTRA Hannoversche Verkehrsbetriebe AG, Mobilitätsinnovation Partner digital mobilities consultans. Dazu gehöre ein gut ausgebautes ÖPNV-Hochleistungsnetz mit Bussen und Bahnen, das durch selbstfahrende Minibusse, „Robo-Taxis“ und CarSharing-Fahrzeuge erweitert wird. Dies reduziere den Autoverkehr und macht für viele Menschen den eigenen Pkw überflüssig.
Über die Darstellung menschlichen Fehlverhaltens im Straßenverkehr kamen Tobias Ruttke und Juliane Brachwitz von der Universität Jena unter anderem zu dem Fazit, dass menschliches Verhalten mit Fehlern durchsetzt ist und Fehler und Fehlhandlungen ein menschliches Funktions- und Lernprinzip auch im Fahrzeug sind. Nicht Kompetenzersetzung, sondern Kompetenzerhöhung und Kompetenzentwicklung des menschlichen Fahrers durch Systemeinsatz sind gefragt.
Dr. Helga Jonuschat vom Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) hält es für wahrscheinlich, dass Fahrten mit autonomen Kleinbussen in den nächsten zwei Jahren eine Genehmigung für Fahrten im öffentlichen Raum erhalten. Sie sind mit geringen Geschwindigkeiten von 7 bis 15 km/h und auf festen Strecken, ggf. auch infrastrukturseitig gesichert, rund um eine ÖV-Station unterwegs.
Die vorhandenen Verkehrsregeln sind im deutschen Verkehrsrecht bislang nur in groben Grundzügen im Straßenverkehrsgesetz vorhanden, erläuterte Prof. Dr. Dieter Müller von der Hochschule der Sächsischen Polizei Rothenburg. Die allermeisten Fragen des automatisierten Fahrens zum Verhaltens-, Zulassungs- sowie Straf- und Verkehrsordnungswidrigkeiten-recht bleiben noch ungeklärt.
Obwohl der technische Fortschritt nicht aufzuhalten sein wird, sind erste signifikante Ergebnisse des automatisierten Fahrens auf Autobahnen und Kraftfahrtstraßen zu erwarten, weil die dort erforderliche Technologie am einfachsten gewährleistet werden kann. Derart technisch aufgerüstete Landstraßen oder gar Stadtstraßen wird es allerdings erst in Jahrzehnten geben.
Vorträge zum Download
Dr. Gerd Müller
Technik Auto
Weniger Unfälle, besserer Verkehrsfluss
Das automatisierte Fahren und Perspektiven der Automobilindustrie
Martin Röhrleef
Vernetzte Mobilität
Autonomes Fahren als Chance für öffentliche Mobilitätsdienste
Der ÖPNV als Rückgrat eines optimierten Gesamtsystems
Tobias Ruttke
Juliane Brachwitz
Psychologie
Grenzenloses Vertrauen in die Technik?
Probleme des automatisierten Fahrens aus psychologischer Sicht
Dr. Helga Jonuschat
Gesellschaft
Mobilität von morgen
Auswirkungen des vollautomatisierten Fahrens auf die Gesellschaft
Prof. Dr. Dieter Müller
Verkehrsrecht
Rechtliche Hürden
Automatisierte Fahrzeuge als Herausforderung für das Verhaltens-, Zulassungs- sowie Straf- und Verkehrsordnungswidrigkeitsrecht