Schnell, schneller – zu schnell?

Schnell, schneller – zu schnell?

Rostock, 19. September 2024. Bei der jährlichen Fachtagung der Landesverkehrswacht Mecklenburg-Vorpommern e.V.  in der HanseMesse in Rostock ging es um die Frage, welche Geschwindigkeiten auf deutschen Straßen innerorts und außerorts angemessen sind und ab welcher Höhe ein Tempo nicht mehr akzeptabel ist und begrenzt werden muss.

Geschwindigkeiten reduzieren und Unfälle vermeiden

In seiner Eröffnungsrede vor etwa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern erklärte Hans-Joachim Hacker, ehemaliger Präsident der Landesverkehrswacht: „Die Geschwindigkeiten müssen in dem komplexen System Straßenverkehr besser an den Menschen angepasst werden, um die Zahl der schweren Unfälle zu reduzieren.“ Da jeder Mensch Fehler mache, so Hacker weiter, müsse das System resilient sein, also Fehler verzeihen. Das gehe nur, wenn die gefahrenen Geschwindigkeiten und die Geschwindigkeitsdifferenzen nicht zu hoch seien. Je höher die Geschwindigkeit, desto wahrscheinlicher sei ein Unfall und desto schwerer seien die Unfallfolgen.

Jens-Uwe Zingler vom Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern führte aus, dass die Landesregierung M-V sich beim Thema Verkehrssicherheit der Vision Zero verpflichtet sieht, also dem Ziel, Getötete oder Schwerverletzte im Straßenverkehr zu verhindern. Dieses Ziel wird auf mehreren Wegen verfolgt, wobei die wesentlichen Handlungsfelder die Verkehrsinfrastruktur, die Fahrzeugtechnik und nicht zuletzt das Verhalten der Verkehrsteilnehmer sind. In den Jahren 2021 bis 2023 hat das Land etwa für die Sanierung von Straßen über 85 Mio. Euro ausgegeben, davon fast 2 Mio. € für die Errichtung von Schutzplanken. Maßnahmen zur Verkehrserziehung unterstützt das Land jährlich mit mehr als einer halben Million Euro. Beim Thema Geschwindigkeit sind verkehrsrechtliche Anordnungen, die den örtlichen Bedingungen und deren Gefahrenpotential angepasst sind, ein entscheidendes Instrument der Straßenverkehrsbehörden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Damit diese die erforderliche präventive Wirksamkeit entfalten können, müssen die Maßnahmen mit Verkehrsüberwachungsmaßnahmen angemessen begleitet werden.

Professor Dr. Bernhard Schlag von der TU Dresden berichtete, dass in allen vergleichbaren Ländern weltweit Limits auf Autobahnen gelten. Bei repräsentativen Umfragen in den letzten Jahren habe sich gezeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland sowie alle wichtigen Verkehrssicherheitsorganisationen für ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen seien. Ende der 50er-Jahre habe es eine hitzige Diskussion um Tempo 50 innerorts gegeben. Heute sei eine Geschwindigkeitsbegrenzung innerorts keine Frage mehr, so Schlag, diskutiert werde lediglich die Höhe des Limits.

Prof. Dr. Matthias Knauff von der  Friedrich-Schiller-Universität Jena erläuterte grundrechtliche Ansatzpunkte für ein „Recht auf Verkehrssicherheit“. Der Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes enthalte eine allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Verkehrssicherheit sei verfassungsrechtlich geboten, resümierte Knauff. Es gebe aber gesetzgeberische Spielräume und vielfältige Ausgestaltungsmöglichkeiten. Die Durchsetzung der verkehrssicherheitsrechtlichen Anforderungen seien geboten, die Hinnahme von Restrisiken sei aber unvermeidbar.

Über das nationale und internationale Strafmaß bei Verkehrsverstößen berichtete Peter Schlanstein, Dozent an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. „Experten sind sich einig“, führte Schlanstein aus, „dass flächendeckende Kontrollen im Straßenverkehr sowie das konsequente Ahnden von Delikten die Sicherheit auf den Straßen deutlich erhöhen.“ In Deutschland – im internationalen Vergleich ein Billigland für Knöllchen – seien die Bemühungen um eine generalpräventive Verkehrsunfallbekämpfung, vor allem in Bezug auf unangemessen hohe Geschwindigkeiten, relativ gering ausgeprägt, kritisierte Schlanstein.

Dr. Jürgen Bönninger von der TU Dresden berichtete über technische Entwicklungen u.a. zur Beeinflussung der Geschwindigkeit, um Unfälle zu vermeiden, die Umwelt zu schonen und den Verkehr flüssig zu gestalten. Mit Fahrzeugtechnik den Verkehr der Zukunft zu gestalten sei Teil der VISION ZERO, wonach kein Mensch im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt werden soll. Zu den Zielen und Visionen gehöre auch der Übergang vom menschlichen zum automatisierten und vernetzten Fahren bis 2050. Wichtige Voraussetzungen dafür seien Geschwindigkeitsreduktionen und Geschwindigkeitsanpassungen.

Hans-Joachim Hacker betonte, dass die Landesverkehrswacht im Sinne der VISION ZERO zu dem Beschluss und der Forderung der Deutschen Verkehrswacht stehe:

  • Generelles Tempolimit 130 km/h auf Autobahnen
  • 80 km/h auf Landstraßen bei gleichzeitiger Anhebung des Tempolimits für Lkw auf ebenfalls 80 km/h, um den Überholdruck bei Pkw-Fahrerinnen und -Fahrern zu verringern
  • Mehr Gestaltungsspielräume für Kommunen bezüglich 30 km/h innerorts

Für Rückfragen zu dieser Pressemitteilung
Andrea Leirich 
Geschäftsführerin
Landesverkehrswacht Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Telefon: 0385/ 52 19 61-0
Fax: 0385/ 52 19 61 11
E-Mail: info@verkehrswacht-mv.de

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